Hintergrund
Gesprächsführung
Gespräche zu führen gehört für uns zum Alltag. Für formelle Gespräche, die in der Rolle als Behördenmitglied geführt werden, gibt es einen bestimmten Anlass, ein zu erreichendes Ziel sowie hilfreiche Verhaltens- und Vorgehensweisen. Der folgende Text gibt allgemeine Hinweise und Hilfestellungen für die Gesprächsführung, im Wissen, dass in den Geleiteten Schulen viele der bilateralen Gespräche von der Schulleitung übernommen werden.
Gesprächsführung ist eine der anspruchsvollsten Tätigkeiten von Behördenmitgliedern, denn es wird Handlungskompetenz in der direkten Begegnung verlangt. Jedes Gespräch ist individuell, einmalig und komplex.
Individuell: geprägt von den beteiligten Personen und ihrem persönlichen Gesprächsverhalten, einberufen zu einem bestimmten Thema, zu dem die Beteiligten verschiedene Sichtweisen haben.
Einmalig: Kein Gespräch ist wie das vorangehende; zudem bleibt wenig Zeit für Überlegungen, die Beteiligten sind laufend am Agieren und Reagieren. Kein Gespräch ist wiederholbar, denn der Zeitpunkt ist einmalig, und in der Zeit bis zum nächsten Gespräch ereignet sich meist viel – und wenn es «nur» in den Köpfen der Beteiligten ist.
Komplex: Gefühle und Fakten, Verbales und Nonverbales, Vorgeschichte und Befindlichkeit der einzelnen Personen beeinflussen das Gespräch. Jedes Gespräch hat seine eigene Dynamik, die durch das Zusammenspiel von Thema, Beteiligten und Umgebung entsteht. Auch wenn wir es noch so genau vorbereiten, ein Gespräch ist nie bis ins Letzte planbar.
Hilfen
Gesprächsführung lernt niemand von einem Tag zum anderen. Geben Sie sich Zeit zum Lernen und vertrauen Sie darauf, dass Sie aus Ihrem (Berufs-)Alltag bereits nützliche Erfahrungen für die Gespräche im Schulbereich mitbringen. Weitere Möglichkeiten:
- Gesprächsführungskurse: Sie lernen hilfreiche Modelle im geschützten Rahmen kennen und üben.
- Learning on the job: Ein erfahrenes Schulpflegemitglied nimmt Sie mit zu verschiedenen Gesprächen, Sie beobachten die Situation und tauschen sich anschliessend aus.
- Learning by doing: Sie führen Gespräche und ein erfahrenes Schulpflegemitglied begleitet Sie in der Beobachterrolle. Das anschliessende Feedbackgespräch gibt Ihnen Anhaltspunkte zu Ihren Stärken und Ihren Verbesserungsmöglichkeiten.
Konstruktives Gesprächsverhalten
- Gesprächspartner/in ernst nehmen, Interesse und Verständnis zeigen, indem ich gut zuhöre
- Gespräch weiterführen, indem ich (offene) Fragen stelle
- Mich selbst ernst nehmen, indem ich Ich-Botschaften sende
- Klarheit schaffen, indem ich meine Aussagen verständlich und einfach formuliere und Feedback gebe
- Wertschätzung des anderen und gesundes Selbstwertgefühl
→ Kommunikation als wichtiger Teil der Führung
Aktives Zuhören
Aktives Zuhören hat das Ziel, den anderen zu verstehen und eigene Gefühle oder jene des Gesprächspartners auszusprechen. Verstehen heisst nicht übereinstimmen; man kann andere verstehen und dennoch verschiedener Meinung sein. Ein erster Schritt in diese Richtung ist, sich dem Gesprächspartner zuzuwenden – auch innerlich – und ihm aufmerksam zuzuhören. Wenn jemand an den Aussagen des Gesprächspartners wirklich interessiert ist, wird er das ganz natürlicherweise und ohne viel zu überlegen tun.
Tipps für aktives Zuhören
Aktiv zuhören heisst:
- Augenkontakt herstellen und beibehalten,
- nonverbal zeigen, dass man aufmerksam zuhört und versteht: z.B. durch Nicken.
- ab und zu Gehörtes in eigenen Worten zusammenfassen oder wiederholen («Habe ich richtig verstanden, dass …?»),
- offene Fragen stellen, um zum Weitersprechen oder Vertiefen zu ermuntern,
- kurze Pausen ertragen,
- zeigen, dass man die ausgedrückten Gefühle wahrgenommen bzw. verstanden hat, indem man sie formuliert und verifiziert,
- auch auf Gefühle eingehen, die «hinter» den Worten stehen («Ich nehme wahr, dass dich dies freut/ärgert/traurig macht/stark beschäftigt …»),
- sich selbst nicht in den Mittelpunkt stellen.
Wirkung des aktiven Zuhörens
Der Gesprächspartner fühlt sich wahrgenommen und mit seinem Anliegen wertgeschätzt. Dies hat, falls das Problem zwischen den Gesprächspartnern liegt, eine Entspannung in der Beziehung zur Folge, oder, falls das Problem bei ihm liegt, eine Entspannung bei ihm selbst, sodass er einen Schritt weitergehen kann. Aktives Zuhören eignet sich also überall da, wo man ein Gespräch in konstruktive Bahnen lenken möchte, wo es Probleme (auch kleine) oder Konflikte zu lösen gibt, wo jemand eine freundliche Energie ins Gespräch bringen möchte, um achtungsvoll und wertschätzend zu kommunizieren.
Fragen stellen
Fragen sind ein ausgezeichnetes sprachliches Instrument, um ein Gespräch zu leiten. Mit Fragen können sowohl das Thema als auch die Aufmerksamkeit der Kommunikationspartner gelenkt werden.
Form von Fragen
Fragen können nach ihrer unterschiedlichen Form in offene und geschlossene Fragen eingeteilt werden.
Offene Fragen
- beginnen mit einem Fragewort (wie? was? wo? wann? etc.)
- lassen grossen Freiraum für die Antwort
- bringen grosse Informationsausbeute
- sind z.B. in frühen und mittleren Phasen von Gesprächen angebracht
Beispiel: «Wie haben Sie die Situation erlebt?»
Geschlossene Fragen
- beginnen mit einem Verb
- verlangen eine ganz bestimmte Antwort
- bringen klare Entscheide
- sind z.B. in der Abschluss-/Beschlussphase von Gesprächen angebracht
Beispiel: «Entspricht dieses Resultat Ihren Erwartungen?»
Ich-Botschaften
In Kommunikationskursen werden häufig die Begriffe Ich- und Du-Botschaft benutzt, wobei der erste meist positiv, der zweite eher negativ bewertet wird. Nicht jeder Satz, der mit einem «Ich» beginnt, ist automatisch eine Ich-Botschaft. Grundsätzlich ist die Richtung der Gesamtaussage wesentlich. Bei der Ich-Botschaft spreche ich von mir, von meinen Gefühlen, meiner Reaktion, davon, was ein bestimmtes Verhalten in mir auslöst. Die Ich-Botschaft hat einen starken Selbstoffenbarungsanteil.
Dagegen ist der Satz «Ich finde dich dominant» genauso eine Bewertung in der Ich-Form wie die Du-Botschaft «Du bist dominant». Ganz anders kommt die differenzierte Formulierung mit Ich-Botschaft an: «Du hast mich im Gespräch mehrmals unterbrochen. Ich fühle mich bei diesem Verhalten von dir nicht ernst genommen.»
Feedbackregeln
Feedback geben:
- beschreibend (nicht wertend oder interpretierend)
- konkret (nicht verallgemeinernd)
- brauchbar (auf Belange bezogen, die durch Empfänger/in beeinflussbar sind)
- aktuell (kein Gang durch die Ahnengalerie)
- angemessen (Bedürfnisse des Empfängers/der Empfängerin mitberücksichtigen)
- umkehrbar (die andere Person dürfte auch so mit mir sprechen)
- Ich-Botschaft
Feedback empfangen:
- aktiv zuhören
- mein Gefühl ausdrücken
- keine Rechtfertigungen
- Gesagtes als Lernchance nutzen
- selbstständig entscheiden, ob ich dieses Feedback annehmen will oder nicht
Gesprächsaufbau
1. Vorbereitung
Eine sorgfältige Vorbereitung ist ein wichtiger Teil des Gesprächserfolgs.
Die Vorbereitung bezieht sich immer auf drei Ebenen:
- organisatorisch: wo, wer, wann
- inhaltlich: Ziel, Thema, meine Rolle, Unterlagen
- emotional: persönliche Befindlichkeit, Beziehung zum Thema, Einfühlen in das Gegenüber
2. Durchführung
Jedes Gespräch hat grob drei Phasen: Gesprächseinstieg, Hauptteil, Abschluss, wobei der Hauptteil je nach Gesprächsart meist noch differenzierter aufgeteilt wird. Als Behördenmitglied haben Sie oft eine Doppelrolle, indem Sie einerseits verantwortlich sind für die Führung des Gespräches und andererseits auch Ihre eigenen Argumente und Wahrnehmungen einbringen wollen.
Phase 1: Einstieg
Ziele des Gesprächseinstiegs sind die Kontaktaufnahme und die Vertrauensbildung. Es soll in kurzer Zeit eine konstruktive Atmosphäre mit gegenseitiger Wertschätzung geschaffen werden. Dies wird durch eine passende Begrüssung, durch das Anknüpfen an Alltägliches, Aktuelles oder Gemeinsames sowie durch das Vorstellen der Gesprächsteilnehmer/innen erreicht. Zur Vertrauensbildung trägt auch Transparenz bei: Die Teilnehmenden sollen erfahren, was auf sie zukommt und wie der Ablauf geplant ist.
Inhaltsteile
- Begrüssung
- Dank für das Erscheinen
- Gesprächsgrund
- Ziel des Gesprächs
- Vorstellung der Teilnehmenden
- Rollenklärung der Beteiligten
- Geplanter Ablauf, Dauer
- Gesprächsregeln, z.B. Ich-Form, ausreden lassen
Aufgaben der Gesprächsführung
- Auf die Teilnehmenden zugehen
- Führung übernehmen
- Informieren
- Zurückfragen: Klarheit und Einverständnis bezüglich des Vorgehens
Phase 2: Hauptteil
Ziel des Hauptteils ist die Bearbeitung des aktuellen Gesprächsthemas. Je nach Thema geht es um Mitteilen, Austauschen, Suchen nach Lösungen, Klären oder Entscheiden. Die Vielfalt ist durch die verschiedenen Gesprächsanlässe gegeben. Das konkrete Gesprächsziel ermöglicht die Planung eines sinnvollen Vorgehens und konkreter Fragestellungen durch die Gesprächsleitung.
Mögliche Inhaltsteile
- Vorgeschichte, Ausgangslage rekapitulieren
- Über Verfahren oder rechtlichen Hintergrund informieren
- Individuelle Sichtweise darstellen
- Fragen klären
- Argumente einbringen
- Gemeinsamkeiten und Unterschiede benennen
- Ziel wiederholen
- Lösungsmöglichkeiten sammeln
- Hilfsangebote/Hilfestellungen einbringen
- Entscheid für eine Lösung treffen
- Massnahmenplan erstellen
- Überprüfung vereinbaren
Aufgaben der Gesprächsführung
- Fragen stellen
- Wort erteilen, zu Voten ermuntern
- Aktiv zuhören
- Zwischenzusammenfassungen machen
- Voten einander gegenüberstellen
- Zum Thema zurückführen
- Auf die Einhaltung der Gesprächsregeln achten, z.B. Lang-/Vielredner/innen unterbrechen
Phase 3: Abschluss
Ziele der dritten Phase sind: Gesprächsergebnisse sichern und auch festhalten, wenn keine Vereinbarung getroffen werden konnte; das weitere Vorgehen klären und das Gespräch abschliessen. Für alle Beteiligten soll klar sein, wie es weitergeht.
Inhaltsteile
- Kurze Zusammenfassung des Ergebnisses
- Weiteres Vorgehen vereinbaren und terminieren, z.B. Protokoll, weiterer Termin
- Rückblick auf das Gespräch: Wie habe ich es erlebt? Wie geht es mir im Moment?
- Rückmeldung zur Gesprächsführung
- Dank für das Gespräch aussprechen
- Verabschiedung
Aufgaben der Gesprächsführung
- Zusammenfassen
- Positives erwähnen
- Feedback erfragen
- Aktiv zuhören
3. Nachbereitung
Die anschliessende persönliche Reflexion über das Gespräch und das Einleiten möglicher Massnahmen sind wichtig für die Nachhaltigkeit von Gesprächen. Die Nachbereitung findet wieder auf allen drei Ebenen statt.
- Emotional: eigene Befindlichkeit, Erfolgsmomente, Steigerungsmöglichkeiten
- Inhaltlich: (kein) Handlungsbedarf, (k)eine Aktennotiz, (k)eine Information weiterleiten, Beschluss schreiben
- Organisatorisch: Vereinbarung verschicken, nächsten Termin mitteilen.
Weiterführende Informationen
Bianca Ender, Anton Strittmatter: Personalentwicklung als Schulleitungsaufgabe. Ein Leitfaden der Pädagogischen Arbeitsstelle LCH, 2002
Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 1. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt Verlag, 1992
Heinz Vettiger: Schule pflegen – aber wie?. Aarau: Lehrmittelverlag des Kantons Aargau, 2000