Grundlagen
Fusionen und Zusammenarbeitsformen
Insbesondere Gemeinden mit geringen Schülerzahlen stehen unter Druck, ihre Strukturen zu überprüfen. Die Einrichtung einer leistungsfähigen Schulleitung ist in kleinen Schulen kaum machbar. Eine vernünftige Schulorganisation und Klassenbildung ist erschwert.
Gemeindefusionen
Schulgemeinden können sich mit anderen Schulgemeinden zusammenschliessen oder sich zugunsten einer politischen Gemeinde auflösen. So schliessen sich beispielsweise in Gegenden mit geringen Schülerzahlen die im Gebiet einer Sekundarschulgemeinde befindlichen Primarschulgemeinden mit der Sekundarschulgemeinde zu einer Schulgemeinde zusammen, welche die Kindergarten-, Primar- und Sekundarstufe der öffentlichen Volksschule führt (z.B. Schulgemeinden Stammertal und Wehntal). Die Schulgemeinde kann sich auch im Gebiet einer oder mehrerer politischer Gemeinden auflösen. In der Regel übernimmt dann die politische Schulstandortgemeinde die Aufgaben der aufgelösten Schulgemeinde. In der Praxis wird dabei gemeinhin von der «Bildung einer Einheitsgemeinde» gesprochen.
Im Gebiet mehrerer politischer Gemeinden schliessen sich diesfalls die übrigen politischen Gemeinden mit Anschlussvertrag an die Schulstandortgemeinde an. Der Anschlussvertrag regelt die Erfüllung der Aufgaben der Volksschule durch die politische Schulstandortgemeinde für die politischen Anschlussgemeinden (z.B. Auflösung der Sekundarschulgemeinde Wetzikon-Seegräben).
→ Schulträger, ihre Organe und Instrumente
Der Kanton unterstützt sowohl Zusammenschlüsse von Gemeinden als auch Auflösungen von Schulgemeinden mit finanziellen Beiträgen. Für beide Fusionsformen erhalten die beteiligten Gemeinden einen Beitrag an die Kosten des Fusionsprojekts sowie einen Zusammenschlussbeitrag. Eine zusammengeschlossene Gemeinde kann zudem einen Entschuldungsbeitrag, jedoch keinen Beitrag zum Ausgleich von Einbussen beim Finanzausgleich begehren (§§ 155–159 GG i.V.m. §§ 41–46 VGG).
Der Bestand der Schulträger ist in Bewegung:
1995 | 2000 | 2005 | 2010 | 2015 | 2020 | |
Politische Gemeinden mit Volksschulaufgaben | 23 | 30 | 55 | 71 | 82 | 91 |
Schulgemeinden | 45 | 43 | 32 | 22 | 22 | 17 |
Primarschulgemeinden | 100 | 94 | 80 | 67 | 51 | 40 |
Sekundarschulgemeinden | 43 | 42 | 38 | 34 | 30 | 28 |
Im Kanton Zürich wohnen rund 80% der Bevölkerung in politischen Gemeinden, die Träger von Aufgaben der Volksschule sind. Dennoch bestehen nach wie vor knapp hundert Schul- und Spezialschulgemeinden (Stand 2017).
Zusammenschlüsse und Auflösungen von Schulgemeinden müssen immer von den Stimmberechtigten an der Urne beschlossen werden. Der Kanton kann Fusionen empfehlen und unterstützt sie mit Beratung und finanziellen Beiträgen.
Das Verfahren für den Zusammenschluss von Gemeinden wird in §§ 152 f. und für die Auflösung von Schulgemeinden in § 154 GG geregelt. Die Neubildung von Spezialschulgemeinden bleibt grundsätzlich ausgeschlossen (§ 153 Abs. 3 GG).
Eine Prüfung von Zusammenschlüssen von Gemeinden kann mittels Initiative angeregt werden (§ 151 GG). Das Gebiet einer Schulgemeinde muss das Gebiet einer oder mehrerer politischer Gemeinden umfassen (§ 3 Abs. 1 und § 178 GG). Dies ist insbesondere auch dann zu beachten, wenn politische Gemeinden zu einer grösseren Gemeinde fusionieren. Damit diese Voraussetzung in solchen Fällen erfüllt werden kann, müssen sich die Schulgemeinden im selben Perimeter unter sich oder zusammen mit den politischen Gemeinden zusammenschliessen. Die Bestimmungen über die Verfahren von Gemeindefusionen sind im Detail kommentiert und das Gemeindeamt stellt auf der Website Empfehlungen und Musterverträge zur Verfügung, siehe «Weiterführende Informationen».
Gemeindefusionen können ein langer und steiniger Weg sein, der zeitaufwändig ist, auf politischen Widerstand stossen und scheitern kann. Erfolgreiche Fusionen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass die Gemeindevorstände der beteiligten Gemeinden gemeinsam an einem Strick ziehen und die Abstimmungsvorlagen überzeugend vertreten.
Zusammenarbeitsformen
Neben der Gemeindefusion bestehen noch weniger weitgehende Möglichkeiten der Zusammenarbeit. So können beispielsweise Gemeinden mit geringen Zahlen an Schülerinnen und Schülern der Sekundarschule mit benachbarten Gemeinden Anschlussverträge über die Übernahme solcher Schülerinnen und Schüler abschliessen.
Dies kann aus örtlichen Gründen auch für Teilgebiete einer Gemeinde zweckmässig sein. Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden über die Kantonsgrenze hinweg bedarf eines Staatsvertrags (§ 82 GG).
Das Gemeindegesetz regelt die interkommunale Zusammenarbeit neu dichter und weitgehender (§§ 71 ff. GG). Sie kann in der Form selbstständiger Aufgabenträger (z.B. Zweckverband) oder bloss auf vertraglicher Basis (z.B. Anschlussvertrag) erfolgen. Mit Verträgen können die Schulträger z.B. pragmatisch und projektbezogen zusammenarbeiten, um Themen wie Weiterbildung, Erfahrungs- und Meinungsaustausch sowie gemeinsame beratende Kommissionen zu koordinieren.
Das Volksschulamt und das Gemeindeamt stehen für Auskünfte zur Verfügung. Für die Begleitung von Projekten für eine interkommunale Zusammenarbeit oder für Gemeindefusionen gibt es zudem ein breites Angebot an externen Spezialisten und Beratungsfirmen.
Auflösung oder Zusammenschluss von Schulgemeinden?
Die Auflösung von Schulgemeinden bzw. die Bildung von «Einheitsgemeinden» ist in der Praxis vor allem dann erfolgreich, wenn die Gemeindevorstände der beteiligten Gemeinden (Schulpflege der Schulgemeinde und Gemeinderat der politischen Gemeinde) den Stimmberechtigten dafür eine gemeinsame Vorlage unterbreiten (§ 154 GG). Empfehlenswert ist eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit Mitgliedern der Schulpflege und des Gemeinderates. Dabei scheint die Begleitung durch einen externen Moderator als prüfenswert. Die Vorlage beinhaltet die Auflösung der Schulgemeinde und der damit verbundenen Änderung der Gemeindeordnung der politischen Gemeinde. Umfasst die Schulgemeinde das Gebiet mehrerer politischer Gemeinden, ist mit der Auflösung der Schulgemeinde meistens ein Anschlussvertrag notwendig, der für die politischen Anschlussgemeinden die Übernahme der Volksschulaufgabe durch die politische Schulstandortgemeinde regelt.
→ Das Gemeindeamt informiert auf der Website ausführlich zu den Gemeindefusionen.
Im Vergleich zu einem Zusammenschluss von Schulgemeinden erscheint die Auflösung von Schulgemeinden v.a. dann zweckmässig, wenn man sich davon Entlastungen für die Schulpflege und Vereinfachungen und Einsparungen in nichtschulischen Verwaltungsbereichen (Liegenschaften, Finanzen) verspricht. Widerstand von schulischer Seite entsteht dort, wo die politische Zielrichtung und Motivation darin besteht, die Schule der Kontrolle des Gemeinderates zu unterstellen («unfriendly takeover»). Der Regierungsrat und das Gemeindeamt befürworten grundsätzlich die Einheitsgemeinde, indem sie die Kantonsverfassung in dem Sinne auslegen, dass die politische Gemeinde im Normalfall auch Träger der Volksschule sei. Andererseits anerkennt die Verfassung nach wie vor die eigenständige Schulgemeinde und sieht keine Zwangsfusionen des Kantons vor. So hält auch der Regierungsrat in seinem Reformbericht fest:
Für die Gemeindeentwicklung sind primär die Gemeinden verantwortlich. Dies entspricht dem hohen Stellenwert der Gemeindeautonomie im Kanton Zürich (Art. 85 KV). Welche Reform für eine Gemeinde die richtige ist, muss durch die Gemeinde selber entschieden werden.
Wie die obige Tabelle und untenstehende Abbildung zeigt, besteht ein Trend zur Auflösung von Schulgemeinden, sei dies durch die Bildung von Einheitsgemeinden oder Zusammenschlüsse unter Schulgemeinden.
Als Argumente für die Einheitsgemeinde werden vorgebracht:
- Einheitliche politische Führung (stärkerer Wirkungsgrad)
- Gesamtansicht/-beurteilung der Aufgaben
- Einheitliche Finanz- und Steuerpolitik (Investitions- u. Finanzplanung)
- Verbesserung der Kommunikation Gemeinderat – Schulpflege
- Institutionelle Mitwirkung der Schulpräsidentin oder des Schulpräsidenten als Mitglied des und mit Einfluss auf den Gemeinderat
- Schlankere Verwaltungsorganisation (Einsparungen)
- Förderung der Kernkompetenz der Schulpflege (Entlastung)
- Vermeidung von Doppelspurigkeiten (Liegenschaften- u. Finanzverwaltung, Infrastruktur, Materialeinkauf)
- Die Schulpflege behält als eigenständige Kommission die Zuständigkeit für die Schule
- Die Schulpflege wird weiter vom Volk gewählt und stellt weiterhin Antrag an die Stimmberechtigten in der Versammlung oder an der Urne
Als Argumente gegen die Einheitsgemeinde werden vorgebracht:
- Autonomieverlust der Schule
- Schulpflege verliert Funktion des Gemeindevorstandes
- Über die Vorlage des Budgets an die Gemeindeversammlung oder ans Gemeindeparlament entscheidet letztlich der Gemeindevorstand
- In der eigenständigen Schulgemeinde richtet sich der Finanzbedarf nach den Bedürfnissen der Schule; sie tritt nicht in direkte Konkurrenz zu anderen Gemeindeaufgaben
- Der Gemeinderat kann einen Antrag der Schulpflege an die Gemeindeversammlung nicht verhindern, aber einen Ablehnungsantrag stellen
- Die Schulpflege wird nicht wirksam entlastet
- Der Schulpräsident, der gleichzeitig Gemeinderat ist, wird belastet, erhält jedoch innerhalb der politischen Gemeinde zusätzliche Mitwirkungsmöglichkeiten
Fusionsziele
Ziele einer Fusion müssten sein,
- dass die Schulpflege sich vermehrt den so genannten Kernaufgaben, d.h. Leitung und Pflege der Schule, dem Schulbetrieb, der Schulplanung, der Personalpolitik, der Schulentwicklung usw., widmen könnte und von nichtschulischem Ballast befreit werde;
- dass Aufgaben und Tätigkeiten, die in beiden Gemeinden anfallen, an einem Ort und professioneller und/oder kostengünstiger erbracht werden;
- dass Dienstleistungen für die Bevölkerung verbessert werden.
Eine Analyse der Situation zeigt, dass sich die «schulfremden» Bereiche auf die Liegenschaften (Verwaltung, Unterhalt) und die Finanzen (Investitionsplanung, Rechnungsführung) sowie auf rein administrative Tätigkeiten (Bürobetrieb, Materialeinkauf, administrative Publikationen) fokussieren. Für die Einwohnerinnen und Einwohner sowie den Kanton wird mehr Transparenz und eine bessere Erreichbarkeit erzielt. Je nach Grösse und Infrastruktur der Gemeinden ist das Bedürfnis nach solchen Verbesserungen unterschiedlich. Handlungsbedarf besteht insbesondere in Schulgemeinden mit geringen Schülerzahlen und schwachen Verwaltungsstrukturen.
Fazit aus Sicht der Schule:
- Die Auflösung der Schulgemeinde zugunsten der politischen Gemeinde (Einheitsgemeinde) ist wie jede andere Bestandesänderung ein politischer Entscheid, den die Stimmberechtigten an der Urne treffen.
- Die Bildung der Einheitsgemeinde kann die Schulpflege nicht in ihrem Hauptaufgabenbereich entlasten. Als Fachbehörde kann sie sich jedoch auf ihre schulischen Kernkompetenzen konzentrieren.
- Schulgemeinden, die langfristig nicht über ausreichende Schülerzahlen verfügen, sollen sich stufenübergreifend im Gebiet einer oder mehrerer politischer Gemeinden zu grösseren Schulgemeinden zusammenschliessen.
- Jeder Fusion muss eine sorgfältige Analyse der Bedürfnisse der beteiligten Gemeinden vorausgehen.
- Strukturreformen der Schulgemeinden sollen zwischen politischen Gemeinden und Schulgemeinden abgesprochen und koordiniert werden, um zukunftstaugliche Gemeindestrukturen zu ermöglichen.
Profitieren Sie von Erfahrungen anderer Gemeinden. Das Gemeindeamt publiziert regelmässig eine Karte mit den aktuell laufenden Fusionsprojekten. → www.gaz.zh.ch
Weiterführende Informationen
T. Jaag, M. Rüssli, V. Jenni (Hrsg.): Kommentar zum Zürcher Gemeindegesetz und zu den politischen Rechten in den Gemeinden, Zürich, 2017, §§ 151-162 und §§ 71-83
Kanton Zürich, Gemeindeamt: Informationen zu Gemeindefusionen